Kritik am Wolfsmanagement von Umweltminister Wenzel

Sebastian Ostmann (links) trägt ein gerissenes Schaf vor das Umweltministerium
Sebastian Ostmann (links) trägt ein gerissenes Schaf vor das Umweltministerium

Jungschafzüchter und JU-Vechta Mitglied Sebastian Ostmann kritisiert im Interview  mit dem Mitgliedermagazin der JU Niedersachsen das Wolfsmanagement von Umweltminister Wenzel

Einem Hobby der etwas anderen Art hat sich Sebastian Ostmann aus Holzhausen verschrieben. Seit 2008 züchtet der 19-jährige mit großer Leidenschaft Schafe. Dabei ist die Schafszucht seit wenigen Monaten mit einem hohen Risiko verbunden: Der Wolf ist zurück in Niedersachsen und reist immer wieder Schafe. Indem der junge Schäfer ein vermutlich durch einen Wolf gerissenes Schaf bis auf die Stufen des Umweltministeriums trug, machte er Anfang Februar auf spektakuläre Art und Weise auf die Problematik aufmerksam. Im Streitross-Interview mit Chefredakteur Matthias Möller erzählt Sebastian über diese Aktion und seine Erfahrungen mit dem Wolf.

 

Streitross: Du bist wohl einer der jüngsten Schäfer Niedersachsens. Wie kam es zu dieser eher ungewöhnlichen Aufgabe?

Ostmann: In der Nachbarschaft unseres landwirtschaftlichen Betriebes haben wir uns in Kinderjahren hobbymäßig zusammengetan und ein Schaf gekauft. Später habe ich dieses dann alleine übernommen und die Haltung ausgebaut. Glücklicherweise haben mich auf dem Weg in die Selbstständigkeit die richtigen Förderer unterstützt, so dass ich in meiner Rasse mittlerweile zu einem der aktivsten Züchter in Deutschland gehöre.

Streitross: Welche Art von Zucht betreibst du und wie viele Schafe hütest du?

Ostmann: Derzeit habe ich 20 Alttiere, sechs Jungtiere und ca. 28 Lämmer. Ich betreibe Herdbuchzucht, also Zucht von Herdbuchtieren, die später Vererber- und Zuchtmaterial für die Rassezucht und Gebrauchsschafhalter bieten, die damit ihre Mastlammproduktion aufwerten. Es geht somit insbesondere um Schönheit und Leistung. Dabei habe ich Schafe, deren Stammbäume bis in die 50er Jahre zurückgehen. Dies hat natürlich auch zu Folge, dass meine Schafe auf dem Markt einen erheblich höheren Wert als normale Mastschafe haben.

Streitross: Seit wann tangiert die Wolfsproblematik die Schäfer?

Ostmann: Die erste Sichtung haben wir bei uns in der Region im März 2014 hinter meinem Haus in Holzhausen gemacht. Viele Seiten belächelten uns damals noch und nahmen an, dass es sich nur um einen Schäferhund gehandelt habe, obwohl sich damals schon alle erfahrenen Jäger sicher waren, dass es ein Wolf gewesen sei.

Die ersten Risse in der Region Diepholz wurden dann im November gesichtet, ehe ab Dezember dann auch der Kreis Vechta mit Rissen betroffen war. Eines meiner Schafe war bisher noch nicht betroffen. Aufgrund dessen, dass meine Schafe so wertvoll sind – die britischen Suffolk Schafe bis zu 700 € pro Tier – habe ich mich rechtzeitig auf die Wolfs-Problematik eingestellt und die Tiere eingestallt.

Ende des vergangenen und Anfang des jetzigen Jahres gab es dann alle paar Tage neue Risse in ganz Niedersachsen, so dass sich die Lage noch weiter verschärft und enorm zugespitzt hat.

Streitross: Deswegen auch die ungewöhnliche und mit großem medialen Echo begleitete Aktion in Hannover, bei der du und andere Schäfer ein gerissenes Schaf bis vor das Umweltministerium getragen habt, um auf die prekäre Situation aufmerksam zu machen?

Ostmann: Genau, die Aktion im Hannover war kurzfristig geplant. Ich hatte im Vorfeld schon häufiger mit Abgeordneten darüber gesprochen, dass die Landesregierung endlich aus ihrem Schlaf gerissen werden und das Problem wahrnehmen müsse. Die Idee, zum Ministerium zu fahren, entwickelte sich jedoch spontan, nachdem abermals ein Schaf gerissen wurde. Mit mehreren Züchtern und Vertretern des Landesschafsverbandes sind wir wenige Tage später nach Hannover gefahren und haben dabei unser Vorhaben erst am Tag selbst der Presse mitgeteilt. Das Ministerium konnte daher auch erst am Morgen aus dem Radio erfahren, dass wir auf dem Weg sind. Offensichtlich war man dort sehr erschrocken und mit der Situation komplett überfordert. Insbesondere Minister Wenzel selbst scheint sich bisher bedenklich wenig mit dem Thema beschäftigt zu haben. Außer einer Stellungnahme im Landtag, hat man noch kein öffentliches Wort seinerseits zur Thematik gehört, vielmehr schickt er immer seine Staatssekretäre und Mitarbeiter vor. Bei uns ist schon eine große Enttäuschung über den Minister vorhanden.

Streitross: Wie hast du das große mediale Interesse um die Aktion wahrgenommen?

Ostmann: Das war enorm. Über unsere Aktion wurde in 24 Tageszeitungen berichtet. NDR, Sat.1 und RTL berichteten im Fernsehen und drehten unter anderem auch Berichte auf meinem Betrieb. Auch die Bildzeitung hat eine Story aus dem Besuch gemacht, wenngleich dieser Bericht etwas übertrieben dargestellt war. Auch jetzt noch kommen fast jede Woche Anfragen für Stellungnahmen von Zeitungen und dem Radio.

Ohne dieses große Presseecho wäre unsere Aktion wohl nicht so erfolgreich geworden wie sie war: Der Landkreis Vechta wurde nur eine Woche später in die Förderkulisse der Landesregierung aufgenommen. Zudem wurde die Öffentlichkeit weiter für die Problematik sensibilisiert.

 

Streitross: Du hast die Förderkulisse angesprochen. Wie beurteilst du die Entwicklung der Entschädigungspolitik der Landesregierung?

Ostmann: Es hat sehr lange gedauert bis wir Gehör gefunden haben. Trotz der Aktion vor dem Landtag ist der Landesregierung noch nicht wirklich bewusst, welches Ausmaß die Problematik hat, so dass Antworten und Lösungen bisher ausbleiben.

Mittlerweile wurden die ersten Entschädigungsleistungen gezahlt. Beispielsweise wurde von sieben Rissen im Landkreis Vechta aber erst in drei Fällen eine Auswertung der DNA-Probe, die einen Wolfsangriff bestätigt vorgenommen. Bei den vier anderen Rissen liegt immer noch kein DNA Ergebnis vor und somit auch keine Entschädigungszahlung vor. Wenn man in andere Bundesländer guckt, dann können dort bereits Wolfberater über Entschädigungen entscheiden. Die niedersächsische Regierung hält jedoch immer noch am DNA-Nachweis fest, obwohl es nur ein einziges Institut gibt und dieses restlos überfordert ist. Das Ministerium ist insofern auch keine große Hilfe, weil dort Personalmangel herrscht sowie Sachbearbeiter krank sind und sich nicht vertreten lassen.

 

Streitross: Wie lange hat es bis zur Entschädigungsleistung gedauert?

Ostmann: Auf die Entschädigungszahlung des ersten im Dezember gerissenen Schafes musste mehr als dreieinhalb Monate gewartet werden.

Streitross: Läuft die Bewilligung von Präventionsmaßnahmen reibungsloser?

Ostmann: Nein, die ersten Antragsstellungen auf Präventionsmaßnahmen wie Herdenschutzhunde und Zäune sind im Dezember gestellt worden und teilweise bis heute nicht bearbeitet oder weitergeleitet worden. Die Tiere müssen jetzt aber dringend auf die Weide und wir daher privat hohe Summen für Präventionsmaßnahmen aufbringen.

Von Seiten des Ministeriums wurden bisher nur sog. „Notfallpakete“ genehmigt. Diese sind absolut nicht ausreichend. Das ist völlig unbedachter Aktionismus. Dies gilt zum Beispiel auch für optische Maßnahmen wie der Flatterzäune, bei dem der Wolf nach wenigen Tagen erkannt hat, dass davon keine Gefahr ausgeht.

Streitross: Welche Maßnahmen könnten aus deiner Sicht wirklich helfen?

Ostmann: Sinnvoller könnten Esel zum Herdenschutz sein. Diese werden bspw. in Ostdeutschland, Italien oder Österreich bereits seit Jahrhunderten eingesetzt und haben den Vorteil, dass sie sehr stur und keine Fluchttiere sind. Sie rufen laut, wenn sich ein Wolf nähert und treten dann mit einem heftigen Schlag aus. Der Wolf kann hiervon komplett umgehauen werden. Esel sind zudem in dem Sinne sinnvoll, als dass sie nicht wie gefährliche Kampfhunde von den Landkreisen verboten werden können.

 

Streitross: Lange wurde die Problematik kleingeredet. Jetzt hat man nach und nach mehr Erkenntnisse gewonnen und Gefahren erkannt. Brauchen wir den Wolf wirklich in Niedersachsen?

Ostmann: Man hat die Lage definitiv unterschätzt. Nach dem Mauerfall und der EU-Osterweiterung kam der Wolf, insbesondere aus dem Baltikum und polnischen Gebieten, auch wieder nach Niedersachsen. Die Politik hat dabei verkannt, dass der Wolf in einigen Gebieten so sesshaft und zahm wird, dass er sogar in Wohngebieten rumstreift. Die Tatsache, dass der Wolf immer öfter an befahrenen Straßen und auch in Wohngebieten gesichtet wird, stellt eine Bedrohung für Erwachsene und Kinder dar. Wahrscheinlich muss erst Menschen wirklich etwas Schlimmeres passieren, bevor Maßnahmen gegen diese Problemwölfe ergriffen werden. Wir haben hier reine Agrarwirtschaft, Viehzucht und Ställe und wenig Waldgebiete oder Gebiete mit vielen großen Freiflächen, wie in Polen und Brandenburg. Also ist hier eigentlich der falsche Platz für Wölfe.

  

Streitross: Wie sollte man deiner Meinung nach mit dem Wolf umgehen?

Ostmann: Eine Aufnahme ins Jagdrecht wird nichts ändern. Der Wolf genießt den höchsten Schutz der EU-FloraFaunaHabitat-Richtline, so dass auf die Tötung des Wolfes  hohe Strafen stehen. Daher wäre zunächst eine neue Regelung auf EU-Ebene begrüßenswert. Allerdings bestände hier erst eine Möglichkeit zur Änderung, wenn eine sog. „stetige Population“ erreicht wird, die nicht mehr vom Aussterben bedroht ist. Hierfür müssten sich jedoch in Deutschland und Westpolen wohl mehr als 1.000 Wölfe ansiedeln. Momentan sind es ca. 300 Wölfe in Deutschland und 70 davon in Niedersachsen.

Sinnvoller und notwendig ist daher erst einmal, die Vergrämung des Wolfes effektiv zu gestalten. Problemwölfe, die ein auffälliges Verhalten insbesondere Menschen gegenüber zeigen, sind sofort aus der Natur zu entnehmen. Dies ist unbedingt notwendig, damit der Wolf sich nicht an die Menschen gewöhnt. Der Wolf siedelt sich nämlich dort an, wo er am einfachsten an Fressen kommt. Das sind nun mal die eingezäunten Weiden. Weiterhin ist die Ausarbeitung eines handlungsfähigen Konzeptes mit den Wolfsberatern von Nöten. Insbesondere in den Agrarregionen und an Deichen muss es möglich sein, kurzfristig zur reagieren und Wölfe zu vergrämen oder aus der Natur zu entnehmen (Anm. Unter staatlicher Aufsicht zum Abschuss freigeben).